Lebe Deinen Traum
Frank Kaufmann ist oberschenkelamputiert. Er fliegt nach Porto, um dort seine Pilgerreise auf dem Camino Portugues anzutreten. Er erfüllte sich seinen Lebenstraum.
Der Traum vom Camino Portugues
Mit Beinprothese 235 km unterwegs auf dem Camino Portugues
„Nach der 17. OP sagte ich Stopp, das bringt doch nichts.“
Frank Kaufmann (57) ist oberschenkelamputiert. Wegen einer bakteriellen Infektion, hervorgerufen durch eine Blutvergiftung, litt er anfangs an starken Knieschmerzen. Nach acht Monaten Krankenhausaufenthalt aufgrund der Sepsis fingen die Knieoperationen an, es folgten insgesamt 17 OPs und mehrere Reha-Aufenthalte im Zeitraum von 2014 bis 2017. Als letzte Maßnahme erfolgte dann die Amputation des rechten Beines.
„Nach jeder OP und anschließender Antibiotika-Behandlung entzündete sich das Knie von Neuem. Die physischen und psychischen Herausforderungen waren unglaublich belastend, ich habe in dem Zeitraum über 20 kg zugenommen. Die Amputation war für mich der notwendige nächste Schritt, um endlich wieder gesund und mobil zu werden“, erinnert sich Frank zurück.
Die ersten Prothesenanpassungen verliefen im wahrsten Sinne des Wortes holprig. „Nach 7 Monaten habe ich dank meines Reha-Aufenthalts den Prothesenkünstler meines Vertrauens kennengelernt. Dadurch hat sich mein Leben schlagartig zum Guten verändert.“ Frank wurde schnell klar, wie wichtig eine auf ihn abgestimmte, passgenaue Prothese ist, um seine Mobilität wiederzuerlangen. Mit Geduld und Unterstützung durch das Ärzte-Team der Reha und seinen neuen Orthopädietechnikern hat er letztlich die passende Prothesenversorgung für sich gefunden.
Frank beschreibt sich als positiv gestimmten Menschen. Die Amputation traf ihn natürlich schwer. Die Hürden schienen groß, nicht zuletzt verunsicherten ihn auch die Blicke von außen. Dennoch hat er schnell gelernt, gelassen zu sein und trotz Prothese sein Leben nach seinen Vorstellungen zu leben. Schon Jahre vor der Infektion beschäftigte er sich aus persönlichen Gründen intensiv mit den Themen Glücklich sein und innere Zufriedenheit. Diese Lebenseinstellung gibt ihm auch Halt in dieser Situation.
Der Traum vom Camino Portugues
„Das außergewöhnlichste, was ich bisher gemacht habe.“
Auch seinen Traum, den portugiesischen Jakobsweg zu wandern, möchte er noch immer in die Tat umsetzen. Mehr noch: Dieses Vorhaben soll „Gleichgesinnten“ Mut machen, sich etwas zuzutrauen.
Für den Camino Portugues plant Frank dreieinhalb Wochen. Und seit er Dieter Engels (67) in einer S-Bahn kennengelernt hat, nicht mehr im Alleingang. Die beiden sind zufällig ins Gespräch gekommen. Dieter ist den Jakobsweg u. a. bereits 2019 mit seinen drei Söhnen gegangen. Die beiden verstehen sich auf Anhieb und als Dieter anbietet, Frank zu begleiten, willigt dieser ein. „Ich wusste nicht genau, was auf mich zukommt und war dankbar, einen erfahrenen Begleiter an meiner Seite zu haben“, so Frank.
Vom Vorhaben begeistert, unterstützt ihn bei den Vorbereitungen auch das Team vom Prothesenhersteller Blatchford, dessen Prothesenkomponenten er trägt. Nach Einschätzung der bevorstehenden Belastung und den äußeren Bedingungen der Reise wird ihm ein neues Knöchelgelenk mit mehr Bewegungsfreiheit eingebaut. Frank hat die Wochen vor Reiseantritt stark auf seine Ernährung geachtet. Zum einen, um noch etwas Gewicht zu reduzieren und sein heiles Bein nicht unnötig zu belasten. Zum anderen, um seine Fitness zu verbessern.
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Wege entstehen dadurch, dass man sie geht
Der Camino Portugues gehört zu den beliebtesten Abschnitten des Jakobswegs. Beginnend in Porto führt er über 240 km durch 2 Länder (Portugal und Spanien) nach Santiago de Compostela.
Am 25. September 2021 landen Frank und Dieter in Porto, um ihre Pilgerreise anzutreten. Nachdem sie sich die hübsche Stadt angesehen haben, gehen sie am darauffolgenden Tag die erste Etappe entlang der spanischen Atlantikküste. Beide haben großen Respekt vor der langen Wanderung. Oberschenkel-Amputierte haben einen weitaus höheren Energieaufwand beim Gehen im Vergleich zu Nicht-Amputierten. Für Frank ist dadurch die Leistung so groß, als würde er die doppelte Strecke gehen. Er wurde aber mit jedem Tag gelassener. „Wenn man im Rahmen seiner Möglichkeiten bleibt, hat man schöne Erfolgserlebnisse“, schlussfolgern die beiden.
„Die Natur, die Menschen, die Freundlichkeit. Alles war so intensiv.“
Landeinwärts durch den grünen Norden Portugals passieren Frank und Dieter vom Weinanbau geprägte Gebiete, Wälder sowie kleine idyllische Dörfer wie etwa Ponte de Lima, eine der ältesten und schönsten Ortschaften Portugals. An der Grenzstadt Valença führt eine Brücke zur spanischen Stadt Tui, die zweite Hälfte des Weges geht ab hier über spanischen Boden. Bis zum Ziel in Santiago de Compostela sind es noch etwa 115 km. „Der Camino Portugues ist wirklich sehr abwechslungsreich, die Strecke verläuft meist eben, doch auch einige schwierige Bergetappen sind zu bewältigen. Wir gehen an guten Tagen bis zu 20 km“, so Dieter.
Eine der größten Herausforderungen für Frank ist wohl der Gewichtsverlust während der Wanderung, auch seine Muskulatur hat sich verändert. Während der Reise behilft er sich mit einem Ausgleichsstrumpf und Mikrofasertüchern, um das Volumen im Schaft notdürftig auszugleichen. In Deutschland wird er einen neuen Schaft für seine Prothese anpassen lassen müssen. Zudem gilt es, den Silikonliner, das Verbindungselement zwischen Stumpf und Prothese, trotz täglicher Nutzung und wechselnden Unterkünften penibel sauber zu halten.
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Schlussendlich überwiegen jedoch die positiven Erlebnisse der Reise bei Weitem. Schneller als geplant kommen Frank und Dieter bereits nach zweieinhalb Wochen erfolgreich in Santiago de Compostela an. Dass es so gut läuft, hätten die beiden nicht erwartet. Für Frank hätte es kaum besser laufen können. „Ich habe mir hiermit einen Lebenstraum erfüllt“, schwärmt er. „Während der Reise habe ich gelernt, mir trotz Prothese ruhig etwas zutrauen zu können. Das hat mir persönlich sehr gutgetan.“
„Ich habe gelernt, der Prothese zu vertrauen und wieder Freude zu haben.“
Die positiven Erlebnisse und den persönlichen Erfolg möchte er nutzen, um Menschen in vergleichbaren Situationen Mut zu machen. „Mein Leben ist seit dieser Tour leichter geworden, ich freue mich auf das Gehen. Auch möchte ich die Prothese nicht verstecken, sie ist ein Teil von mir“, erklärt Frank.
Seine Vision ist es, in Reha-Kliniken betroffene Menschen mit Motivationsvorträgen anzuspornen, vor Selbsthilfegruppen zu sprechen und während Schulungen vor Orthopädietechnikern kurze Vorträge zu halten. Außerdem kann er sich vorstellen, deutschlandweit Schnupperkurse für Prothesenanwender anzubieten, die sich auch auf das Abenteuer Jakobsweg einlassen möchten. Oder aber von einer Amputation betroffene Menschen auf dem Jakobsweg direkt zu begleiten und mit wertvollen Tipps zu unterstützen.
Mehr Eindrücke von der Pilgerreise gibt es auf der Blatchford-Facebookseite
Prothese Orion³ von Blatchford
Frank trägt das von Blatchford entwickelte mikroprozessorgesteuerte Kniegelenk Orion³, das mit einem hydraulischen Knöchelgelenksprothesenfuß EchelonER kombiniert ist. Die funktional und energetisch optimal ausgelegte Prothese ermöglicht ein natürliches Gehen auf verschiedenen Terrains. Zudem ist die Kniegelenksprothese mit einer inertialen Messeinheit ausgestattet, wodurch die Geschwindigkeit der Fortbewegung erkannt wird. Sobald Frank ins Stolpern gerät, reagiert das künstliche Kniegelenk sofort und sichert ihn ab. Überdies lässt sich die Prothese beispielsweise während dem alternierenden Bergabgehen wie ein gesundes Bein belasten, wodurch das unversehrte Bein entlastet wird. Das hydraulische Knöchelgelenk EchelonER wiederum passt sich noch besser an Schrägen, Unebenheiten und verschiedene Absatzhöhen an. Die Prothese kann sich selbst ausrichten, was sowohl das Bergauf- und Bergabgehen erleichtert als auch das Stolpern und Hängenbleiben verhindert. Frank konnte somit während seiner rucksackbepackten Wanderung steile Anhöhen, große Steine, schwierige Treppen, enge Gassen mit Kopfsteinpflaster und wurzelbewachsene Wege überwinden.
Dieser Text ist in Zusammenarbeit mit Frank Kaufmann, Dieter Engels, rehaVital und der Blatchford Europe GmbH entstanden.
Bilder: Frank Kaufmann/Dieter Engels/Blatchford
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